05.07.08

LAUFEN IM WETTBEWERB

Ich bin von Natur aus wohl eher ein Mensch, der schnell genervt ist und vielleicht auch andere nervt und in vielen Polemiken lebt.
Zum Laufen bin unter Anderem auch durch den Überdruss an Menschen gekommen, die über Krankheiten jammern, und denen ich beweisen wollte, dass man auch in reiferen Jahren noch leistungsfähig und aktiv sein kann.
Denke ich darüber nach, was mir am Laufen Spaß macht, so ist es weniger oder nicht nur die Freude am Laufen, sondern oft mehr der Stolz darauf, gewisse Strecken absolviert zu haben, das Gefühl etwas außerhalb des Normalmaßes erreicht zu haben. Zu den „schönsten“, meint eher den befriedigendsten Läufen zähle ich weniger die Marathons, eher die Langläufe, 30 km und drüber, in der kälteren Jahreszeit, hoch und runter, die Flasche auf dem Rücken, einsame Strecken. Vielleicht gelaufen in dem Gefühl, dass es mir keiner nachmacht. Anders beim Marathon.
Natürlich zieht mich der Wettbewerb an. Die Uhr ist wichtig zur Beurteilung meiner Leistungen, das Gefühl, mich etwas verbessert oder eine alte Leistung erreicht zu haben. Wettbewerbe bin ich immer so angegangen, dass ich mein Optimum bringen wollte, also Training nach Plänen, Tempotraining, Steigerung usw. Eine Zeitlang habe ich das Ziel verfolgt, unter 3 Stunden zu laufen, war im Training über 100 Wochenkilometer, aber sei es durch Übertraining, falsches Timing oder einfach körperliches Limit, habe ich dieses Ziel nicht erreicht und inzwischen aufgegeben.
Den ersten Marathon habe ich ganz gut gemanagt, musste es mir aber gefallen lassen, von einem anderen aus meiner Altersklasse locker überholt zu werden. Ich schaute mir seine Zeit an und setzte mir zum Ziel, das nächste Mal seine Zeit zu erreichen. Dann erreichte ich zwar seine Zeit, aber er war noch schneller geworden. Irgendwann war ich dann schneller, aber inzwischen ist er aus der Läuferliste verschwunden. Wahrscheinlich in das Loch gefallen, das sich bei den 5oern auftut.
Ansonsten brauche ich aber nicht unbedingt einen Konkurrenten, mein Ziel ist mehr, eine bestimmte Zeit zu erreichen, ein Tempo bis km 28 durchzuhalten und dann auf den Kampf gegen die innere Müdigkeit zu setzen. Es geht mir mehr darum, ein inneres, selbst gesetztes Ziel zu erreichen, natürlich umso zufriedener, wenn auch ein guter Platz dabei herausspringt. Schon deswegen ziehe ich kleine Marathons vor. Auch wenn man dabei die letzten 15 Kilometer relativ einsam durch die Landschaft trabt.
Laufen ist natürlich eine Leistung, eine Anstrengung, eine Arbeit, die Lohn und Lob verdient. Aber auch wenn keiner da ist, der einen belohnt, bewundert und bejubelt, so ist es doch das innere Ideal, das zufrieden oder unzufrieden mit der Leistung ist. Mein Ideal ist mein kritischer Partner, den ich zufrieden zu stellen suche.
Dieses Ideal – was ist es, woher kommt es? Bin ich es, habe ich es gewählt? Habe ich mich in es verliebt? Teile ich es mit anderen und entspreche einem allgemeinen Ideal?
Läufer, die einen Wettbewerb ablehnen, weil sie den Kampf als aggressiv, egoistisch und antisozial ablehnen, lässt sich entgegenhalten, dass der Wettbewerb doch eine soziale Veranstaltung ist, wo die Selbstüberschätzung eine Grenze findet und der Einzelne Bescheidenheit lernt – sieht man von den Gewinnern ab. Ein anderer Grund, den Wettbewerb abzulehnen, liegt in der Verbindung des Wettbewerbgedankens zu einer sozialdarwinistischen Ideologie, die zu der Vorstellung führt, dass wirtschaftlichen Überleben oder Profitierens Privileg einer durch Erbe und Gene gut ausgestatteten Minderheit ist. Jeder Läufer schleppt so eine Menge negativen Zeitgeists mit: die Gesellschaft als Kampf ums Überleben, anstelle einer kooperativen Gesellschaft.

Keine Kommentare: