21.05.09

ES GEHT WIEDER LOS!

Weil ich immer noch - wenn auch viel weniger als vorher - noch einen Extremberglauf im Kopf habe, lasse ich das Training wieder anlaufen. Also gleich mal die Montes hoch, mit quälendem Auf und Ab. Etwas über 28 km und fast 1000 Höhenmeter. - Lief nicht so gut.
Zum Ausgleich an der Strandpromenade gelaufen, so 10 km und das hat keinen Spaß gemacht: Verkehr, ne Menge Leute, Krach, Baustellen, Müllplätze, Gestank. Die letzten Jahre muss ich wohl sehr mutig gewesen sein oder es wird jedes Jahr schlimmer.
Dann wollte ich bevor die 2 Tage- und Nächtereise losgeht, ich noch etwas Kilometer fressen. Erholen kann ich mich dann ja im Sitzen.
In mein Büchlein, wo ich meine Bewegungen eintrage, habe ich nicht reingeschaut. Da stand die Wanderung von 2006, die ich heute nachlaufen wollte, mit 45 km und 9 Stunden drin, Steigung rund 1000. Ich lief also naiv los, mit der Absicht, endlich mal wieder ungestörte Natur genießen zu können. Zuerst 5 km durch die Stadt, die Menschen eilten zur Arbeit. Dann noch einmal 3 bis endlich der Naturpark anfängt. Endlich. Und dann geht es auch schon hoch. Und ewig zieht sich die Strecke, Temperatur auf 25°. Mein Ziel, bei der Fuente de la Reina, das Isopulver mit Wasser zu mixen, trinken und dann vielleicht noch höher. Aber nach 23,5 Km gibt es bei Humaina einen Grillplatz mit Wasserhahn. Ich kann nicht mehr. Es hat keinen Sinn, ich bin heute gar nicht gut drauf, der letzte „Marathon“ hat mir wohl alle Reserven weggefressen.
Nach dem Trinken kehre ich um. Die wunderbare Landschaft macht mir keinen Spaß mehr. Das Geschrei der Buchfinken geht mir auf die Nerven. Mir wird langsam schlecht. Der Weg zieht sich hin und hin - endlos.
Schließlich entschließe ich mich, noch die 3 km bis zum Parkanfang zu laufen und den Rest zu gehen.
Fix und fertig finde ich noch einmal eine Wasserquelle, trinke mich voll und laufe noch einmal 2 km. Aber dann ist Schluss, mir ist hundeübel. Und den Rest gehe ich.
Wie ich dann nachher bei Google Earth nachmesse, bin ich in den 4 Stunden über 41 km gelaufen - verständlich, dass ich kaputt war.

14.05.09

INTERVIEW


Ich stelle meiner Frau ein paar Fragen zu ihrem Lauf:

Wie hast Du Deinen Lauf empfunden?
Leichter als erwartet. Nach meiner Anmeldung am 1. April für diesen Ultra bekam ich Angst davor, worauf ich mich jetzt eingelassen habe. Bei den Vorbereitungsläufen geriet ich immer wieder in Krisen und Zweifel, einen so langes und schweres Rennen bewältigen zu könne.
Dass ich bei diesem schwierigen Berglauf so gut durchhalten konnte, habe ich nicht erwartet.

Wie war die Läuferszene in Spanien im Unterschied zu Deutschland?
Es gab viele Gruppen und Vereine, die zusammen gelaufen sind. Die Starken haben sich den Schwachen angepasst. Sie sind zum Spaß gelaufen, nicht um zu gewinnen. Sie sind oft spezialisiert auf Bergläufe und gemeinsame Ausflüge mit anschließendem Essen und Trinken. Die Gruppen haben aber oft den Weg blockiert. Auf den engen Wegen war es schwer, an ihnen vorbeizukommen.
Es laufen sehr unterschiedliche Typen: Dickliche, Kräftige, Zähe, Normale und Dünne. Wanderer, Geher, Walker, viele sind mit Bergstöcken unterwegs. Viele auch mit Rucksack oder Hüftgürtel. An den Pausenstationen sind sie schnell vorbei gerannt, nur um nachher beim Trinken aus dem Rucksack wieder stehen zu bleiben.
Ich musste mich bergab von einigen überholen lassen, die ich bergauf wieder überholt habe. Ich bin gelaufen wo es möglich war. Bergauf konnte ich aber auch schnell gehen.

Wie sind die Frauen gelaufen?
Ich weiß jetzt nicht, wie es da in Deutschland aussieht. Hier waren es vor allem schlanke zähe Frauen, denen ihr Outfit wichtig ist. Aber nicht einmal 10% waren Frauen. Gewonnen hat in meiner Klasse eine zähe Frau, der man Trainiertheit und Entschlossenheit ansieht.

Wie war es für Dich, dass wir getrennt gelaufen sind?
Es war besser. Einmal weil ich mich doch hätte etwas Deinem Tempo anpassen müssen. - Dadurch dass ich in meinem Tempo und auf mich konzentriert gelaufen bin, konnte ich problemlos länger durchhalten. Wäre ich mit Dir gelaufen, hätte ich das Gefühl bekommen, dass Du für mich langsamer läufst, für mich Sachen machst und ich wäre in eine unangenehme Schuldposition geraten. So konnte ich unbelasteter laufen.
Es waren aber noch viele Männer um mich, die mir dann, wenn ich sie am Berg überholte, den Tipp gaben, nicht so schnell zu laufen, es wären noch viele schwere Kilometer.
Es sind einige Paare zusammengelaufen. Meistens sahen die Frauen weniger angestrengt aus und hatten weniger Schwierigkeiten mit der Länge. Insgesamt schienen sie mir lockerer zu sein.

Hat sich der Lauf gelohnt?
Ja, auf jeden Fall hat es sich gelohnt „La prueba reina del senderismo español“, den spanischen Königslauf, gelaufen zu haben! Schon wegen des Pokals. Selbst der spanische Berglaufmeister ist hier nur Zweiter geworden.
Dann auch wegen der guten Zeit, das Durchhalten ohne körperliche Probleme, den 2. Platz meiner Altersklasse, die Trophäe, die gute Verpflegung während des Laufens usw.


Was ist besser: Wandern oder Laufen?
Man kann es nicht vergleichen. Beim Laufen nimmt man wenig von der Landschaft wahr. Die Strecke zerfällt in steinige und gute Wege, auf und ab. Schon was neben dem Weg ist, wird nebensächlich; die Landschaft, die Vegetation. Man nimmt beim Wandern die Landschaft viel intensiver wahr.
Dagegen ist es schön, leicht und ohne Gepäck, durch die Landschaft zu eilen, gemeinsam mit vielen anderen, unterwegs so gut versorgt zu werden, seine Kraft ausleben zu können, sich mit anderen zu messen, eine solche Strecke, zu der wir beim Wandern zwei Tage gebraucht haben, in nicht einmal 10 Stunden zu durchlaufen.
Aber ohne die Wanderung hätten wir die Landschaft nicht schätzen gelernt.

11.05.09

EIN LANGER TAG

Höhepunkt unserer Landschaftsläufe war dieser Marathon über 65 km und 2700 Höhenmeter in Spanien. Trainiert haben wir dafür im 14-Tage-Abstand mit 45 km (1000 Höhenmeter), 56 km (+250m) und 59 (+1200m).
Die Anreise war nicht stressfrei: Gepäck je ca. 16 kg, insgesamt mit Wartezeiten 24 Stunden im Zug, eine unruhige Nacht durch Frankreich. In Unsicherheit, ob wir mit unserem Ticketnachweis durchkommen, da es mit deutscher Kreditkarte nicht möglich war, die im Internet gekauften Fahrkarten aus dem Automaten zu holen. Dank Sprach- und Verhandlungsgeschick meiner Partnerin schafften wir es ungeschoren bis Port Bou zu kommen. Dabei wussten wir nicht einmal, welche Sitze in welchem Waggon wir gebucht hatten.
Angekommen am Ziel wollten wir unser Gepäck im Schließfach deponieren – Pech gehabt, gab es keine. Also mit 4 Rucksäcken durch die Stadt, um die Chips usw. abzuholen, Schlafplatz suchen – 8 km schleppen.
Dann eine kurze Nacht, um 4:20 Aufstehen, ich fast ohne Schlaf; die Aufregung hatte mich in der Nacht doch noch gepackt.
Jetzt wieder Gepäck zum Start schleppen, dort abgeben, damit es zum Ziel gefahren werden konnte. Start um 6:01 bei Dunkelheit. Bei ca. 14 Grad, sollte später wohl nicht über 23° steigen, der Himmel bedeckt bis sonnig.
1363 Läufer rennen los. Die Cleveren darunter mit full speed, die Gelassenen trotten, um dann nach 3 Kilometer beim ersten Berganstieg in eine Warteschlange zu geraten. Eine halbe Stunde Stehen wie vor der Einkaufskasse. Endlich oben angelangt überhole ich sauer die Rucksackträger, Walker, die ich verantwortlich für den Stau halte.
Jetzt geht es bergab, bergauf. Aufwärts meist auf Bergwegen im Singletrail, in der Regel nur gehbar, da Steigungen bis zu 24%.
Die erste Verpflegungsstation nach 12 km. Ich staune, was es alles gibt: Wasser, Iso, Waffeln, Nüsse, Datteln, Würstchen, Bananen (reif!), Orangen und und und … Solche Stationen folgen noch bei Km 24, 33, 42, 50 und 58. Zusätzlich noch Trinkstationen bei Km39 und 47. Dazu noch am Ziel Getränk, Suppe, Bocadillo mit allem Drum und Dran. Was manche mit sich schleppten, war unnötig.
Viele liefen mit Stöcken, andere walkten. Anfangs schätzte ich diese als langsam ein, aber dann überholte ich doch viele bis zum Ziel und sicher waren noch viele vor mir dort angekommen.
Ich ging die Sache langsam an, die erste Hälfte in ca. 3:45. Wusste ich doch, dass der harte Teil erst danach anfing. Erste Hälfte ca. 1000 Meter auf, 600 ab, die zweite 1700 Meter rauf und 900 Meter runter. Start bei ca. 30 Höhenmetern, Ziel bei ca. 1200. Höchster Punkt bei ca. 1500 Meter.
Anstrengend wurde es für mich nach km 55. Ich verfiel auf die Idee, dass Einer in meiner Altersklasse vor mir war und ich mit ihm gleichziehen wollte. Also versuchte ich ihm beim zweitletzten Anstieg über 390 Meter auf 2,6 Kilometer zu folgen. Aber das kostete mich dann doch enorme Kraft. Der Mann war flott im Anstieg. Irgendwann auf der Straße danach, gelang es mir ihn zu überholen. Doch dann ging es noch einmal 140 Meter hoch und schlimmer noch 200 Meter auf Bergwegen steil bergab. Da musste ich dann passen.
Bergauf waren mir viele Läufer in der Regel zu langsam – bergab musste ich sie überholen lassen. Während sie locker über die Steine herunter rasten, war es ein Jammer mit mir: Hüpfen, Springen, Balancieren – und nachdem ich einige Male gefährlich gestolpert war: Aufpassen, Aufpassen!! Da wurde klar, dass meine spanischen Mitkompetitoren ein ganz anderes Bergtraining hatten. Ich konnte nur staunen.
Die letzten Kilometer wurden also doch recht lange. Am Schlimmsten, dass es die letzten 4 Kilometer abwärts und abwärts ging, ich von Stein zu Stein balancierend.
Ja und dann war es nach 8:42 geschafft. Eigentlich wollte ich nur mit 10 Stunden durchkommen.
Meiner Frau traute ich 12 Stunden zu, machte mir Sorgen, wie sie die steinigen Abstiege bewältigen würde und stellte mich auf eine längere Wartezeit ein. Zufälligerweise stelle ich mich nach 48 Minuten an das Ziel, um meine Nachfolger einlaufen zu sehen – und da kommt sie fröhlich, locker hüpfend durch das Ziel. - Pah, bin ich baff!!
Jetzt folgte das letzte Essen – reichlich belegtes Bocadillo mit heißer Suppe – Duschen, ein Finisher-T-shirt zusätzlich zu dem Starter-T-shirt, und eine 75-Kilometer-Busfahrt zurück zum Start. Das alles für 33 Euro – nicht zu vergleichen mit der unverschämten Geschäftemacherei bei Marathons in Deutschland. Es ist eine Bestätigung für den spanischen Werbespruch: España es diferente. Es gibt dort nicht nur die arroganten, kundenindifferenten Angestellten bei Bahn und anderen Behörden, sondern auch viele freundliche und sehr um das Wohl ihrer Mitmenschen bemühte Menschen.
Für uns folgte eine weitere Nacht auf unserem idealen Rastplatz, nur 12 Minuten Gehweg entfernt vom Start, und ganz und gar nicht werden wir den Feigenbaum verfluchen (Markus 11, 12 – 14), sondern ihm dankbar sein und in guter Erinnerung behalten.
Nach noch mal 11 Stunden Bahnfahrt bin ich heute so wirklich schön kaputt und selig müde.

Bei der Analyse der Ergebnisse und Zwischenzeiten ergibt sich für meinen Lauf: Zwischen der ersten Kontrollstation bei km 12 und dem Ziel musste ich ca. 350 Läufer überholen, um von der hinteren Hälfte in das vordere Viertel zu kommen. Bei diesen Wegen oft ein schwieriger Vorgang. Waren Gruppen vor mir musste ich lange auf Gelegenheiten warten, vorbeizukommen. Aber vor km 12 hatte ich schon ca. 50 überholt, schon aus Wut über die Warteschlange, in der ich lange Zeit stehen musste.
Mein Konkurrent in meiner Altersklasse war da cleverer, er war ungefähr um die Zeit vor mir im Ziel, die er vor mir bei der ersten Kontrollstation war.
Wie sich aus den Zeiten der Kontrollstationen ergibt, bin ich nach dem Stau von keinem anderen Läufer mehr überholt worden.