28.06.09

Abgesagt

Mein Ziel seit einem halben Jahr war eigentlich einen privaten Ultra zu machen, 83 km mit viel, viel … Auf und Ab. Die Vorbereitung lief ja auch planmäßig. Der letzte 65km Marathon war als Trainingslauf gedacht. Dann aber ging es durcheinander: Reise, andere Projekte und Aufgaben und ich konnte mich nicht wieder konzentrieren. Ich fand Gründe, mich zu „schonen“ und hatte weniger Bedürfnisse mich herauszufordern. Inzwischen ist es eine kleine Laufkrise geworden. Ich komme nicht über 82 km die Woche. Hoher Ruhepuls, leichte Kopfschmerzen, leerer Kopf, Entzündungen nach kleinen Läufen – nichts stimmt. Das Wetter gibt seinen Teil dazu. Eigentlich wollte ich am 24. los – aber auf den Webcams sehe ich – erleichtert – Schnee, Matsch und Dreck. Ich weiß nicht, ob ich dieses Projekt jemals laufen kann.
Beim Grand Raid de Mercantour sind vorletztes Wochenende am 20./21 Juni 3 Menschen ums Leben gekommen, wohl erfroren. Der Lauf in den Seealpen ging über 80 km und 6000 Höhenmeter.

24.06.09

LAUFEN UND ERKENNTNIS

In meinem letzten Blog habe ich etwas über den „Wissenschaftler“ Dekkers geschrieben: Körper nur die Verpackung für den Geist … etc.
Wie der Szientismus allgemein und die meisten Menschen glaubt Dekkers, es gäbe so etwas wie eine objektive Welt und damit zusammenhängend ein objektives Wissen darüber. Nur dieses Wissen hat Bestand und Gültigkeit. Dieses Wissen zu erlangen, ist allererste Aufgabe.
Ganz anders die Auffassung, dass sich unsere Erkenntnis aus unserem Handeln ergibt und daran gebunden ist. Wir sind also nicht nur Geist, sondern auch Auge, Ohr etc. Und nicht nur Sinne sondern auch Hände und Füße. Und sind nicht nur geistiges Interesse, das schlussfolgert, Theorien zusammenbaut, sondern Leib und Seele, die unserem Körper, Händen und Füßen eine Richtung geben. Daraus bilden sich dann Wissen und Erfahrung, ein Selbstzustand und so weiter.

Menschliche Welterfahrung hängt zwar viel mit dem Gebrauch der Hände (damit verbunden: das Sprechen) zusammen, aber auch die Füße sind so unwichtig nicht. Man sagt, am Anfang der Menschwerdung sei der aufrechte Gang. Wie auch immer - die Füße übernehmen die Aufgabe der „Vorderfüße“, also der Hände und lassen denen Raum sich weiterzuentwickeln. Vielleicht steckt auch etwas von der Intelligenz der Hände in den Füßen – etwas von deren Sensibilität – aber natürlich sind die Hände mit ihren Fingern um vieles geschickter als unsere Zehen.
Schließlich verändert der aufrechte Gang unserer Sinne. An die Stelle der Nase und der Ohren tritt das Auge als dominantes Organ. Will man etwas als wahr beweisen ist der visuelle Beweis heute der entscheidende. Nicht nur der ungläubige Thomas, auch wir sind vom Fernseher, von Bildern fasziniert, und auch die Wissenschaft will mit ihren Grafiken und bildgebenden Verfahren überzeugen.
Noch mehr: der Horizont unserer Erfahrung hängt von der Art unserer Bewegungen ab. Der arme Hawkins, dem nur noch das Denken über die kosmische Ordnung übrigbleibt, ist ein Grenzfall, mit dem wir nicht tauschen möchten, auch wenn das Nachdenken über Strings und Quarks über uns Nobelpreise regnen ließe.
Die Welt eines Fußgängers unterscheidet sich grundlegend von der eines Autofahrers oder Laboranten.

Beim Läufer kommt doch noch ein anderes Element hinzu. Es ist die Dominanz der eigenen Bewegtheit über die Erfahrung. Der eine eilt, der andere geht durch die Welt. In der Bewegung des Läufers ist ein Moment von Flucht, flüchtigem Denken, von Konkurrenz des Schnelleren gegenüber dem Langsameren enthalten – vielleicht kann man es „Auseinandersetzung“ nennen.
Die Füße sind die Antipoden des Kopfes. Auf der einen Seite sind sie Organe des Kopfes, Hilfsgestell für die Augen, aber dann können sie sich auch selbstständig machen, sei es dass sie „unruhig“ werden, also das unruhige „Gemüt“ ausdrücken, sei es, dass sie den Dienst verweigern, müde werden usw.

Summa summarum: Unsere Welt ist eine konstruierte, von uns mit Körper und Werkzeugen geschaffen in Auseinandersetzung mit der Natur.

15.06.09

„GESUNDHEITSWAHN“

Ich habe zufälligerweise – denn den Mann kenne ich nicht – einen Podcast über einen schriftstellernden Biologen gehört. In einem Interview outet er sich als Antisportler. Interessant, was da an Ressentiments aufgewaschen wird. Der Biologe Midas Dekkers, angeblich Autor vieler populärer Werke, schreibt über den „Gesundheitswahn“. In einem Interview erklärt er, 50% aller Niederländer würden Sport treiben, Joggen usw. – Bei meinem letzten Langlauf bin ich keinem Einzigen dieser 50% begegnet. „Ja, wo laufen sie denn??!!“ möchte man da in Erinnerung an Loriots Sketch fragen.
Also wissenschaftliche Erfahrung ist von ihm nicht zu erwarten. Er bewegt sich auf dem Niveau einer Meldung von jüngst, ein Drittel der Deutschen wären Sportmuffel. Die anderen gucken wohl alle Bundesliga oder Tennis.
Sicher hat er Recht, wenn er gegen diese Formal „mens sana in corpore sano“ anschreibt. Ursprünglich ironisch-satirisch gemeint, wurde der Satz zum Folterinstrument von Sportlehrern und Militaristen. Ein kleiner
Artikel in Wikipedia hätte gereicht das klarzustellen. - „Mens“ mit Geist gleichzusetzen ist ohnehin sehr verkürzt. Sollte der Satz einen positiven Sinn ergeben, wäre damit eher: Gemüt, Lebenseinstellung, Haltung gemeint; also eine Haltung, mit der man auf die Dinge zugeht, sie konkret betrachtet, Widerständen nicht aus dem Wege geht, sich bewegt, statt andere für sich arbeiten lassen.
Dekkers geht ein interessantes Problem an, das von Körper und Geist. Der Geist, so Dekkers, will sich zum Tyrannen des Körpers machen. Der Körper ist faul, der Geist will aktiv sein. Das ist schon eine merkwürdige Vorstellung. Er widerruft sie auch wieder sofort, wenn er davon spricht, wie ihn es nach Stunden Schreibarbeit juckt, spazieren zu gehen - wenn auch nur mit einer Speed von 5 km/h. Aber Argumente sind ihm wichtiger als ihr letztendlicher Wahrheitswert.
Mit dem Körper kann er aber sonst nicht viel anfangen, der trinkt eben gerne und ist sexfixiert. „Das Gehirn ist der Inhalt, der Rest nur Verpackung.“ Der Geist materialisiert sich im Gehirn, nicht in den Körperteilen. Hawkins ist/ war auch im Rollstuhl intelligent. Und eine Dame, die ein Buch im Park liest, hat mehr vom Leben als der Jogger, der darin seine stupiden Runden dreht. Überhaupt Sport und Arbeit verkürzt das Leben, während Bildung das Leben verlängert und – nicht unwichtig – das Einkommen verbessert.
Und dann: Der Sinn des Lebens ist, das Wissen für die nächsten Generationen zu erhöhen. Wer einen Weltrekord läuft, macht es der nachfolgenden Generation nur schwerer, besser zu werden. Damit ist außer Krankheiten, die man sich beim Sport einholt, nichts gewonnen. Aber ist es der Sinn des Lebens, das Wissen zu vermehren? Ist Wissen der richtige Zugang zur Welt? Man hört hier Comte und seine positive Religion heraus.
Sport und Religion: Die Leute haben Schuldgefühle, deswegen quälen sie sich. Er lobt seine katholische Erziehung, die ihm ein „gemütliches“ Verhältnis zum Körper und Ritualien geschenkt hat, mit der er als Kind seine Schuldgefühle loswerden konnte.
Überhaupt macht Sport krank. „Die Hälfte der Sportler macht sich einmal im Jahr kaputt“. Würde man den Satz jetzt mathematisch durchrechnen, wäre das Heer der Sportler von 50% nach 4 Jahren bei 3,125%. Vielleicht eine realistischere Zahl.
Der Körper besteht aus Muskeln, Sehnen und „Knöcher“. Nur die Muskeln ließen sich verbessern, die anderen würden durch Sport nur verschlissen. Auch hier sieht man wieder: Wissenschaft interessiert ihn nicht; was zählt, ist das billige Argument.
Sport ist kindisch: in bunten Klamotten herumlaufen, kurzen Hosen, hüpfen und springen – dem kann Dekkers nichts abgewinnen. Er war, wie er sagt, „immer vernünftig“. Als Kind hat er sich nach der Schule einen weißen Mantel angelegt und Professor gespielt. Er wollte immer nur erwachsen spielen und das ist ihm wohl mit seinem neuen Buch wieder
gelungen.
Schade, schon wieder ist kein gutes Buch geschrieben worden.

07.06.09

REGENLAUF

Es hat also geregnet, kräftig geregnet und ich wollte doch etwas laufen. Die Muskeln entspannen nach den 114 km Rad von gestern. Meine Frau winkt ab und geht in den Keller auf das Laufband, schwitzt und dürstet dort. Ich will so schnell nicht aufgeben, warte einen Schauer ab, es wird heller – aber es regnet. Da muss ich eben durch.
Aller Anfang ist schwer. Die Schuhe bleiben erstmal trocken. Aber es regnet weiter. Landschaft sehe ich nicht viel, relaxed kann ich auch nicht laufen. Gedanken dahin und dorthin. Ich werde schneller, der Regen bleibt. Sehen kann ich nicht mehr viel. Regen ist ja so schön. Langsam werden die Schuhe nass und immer wieder Steinchen drin. Auf die Uhr will ich nicht mehr schauen, sonst wird sie nass und blockiert. Hundebesitzer treffe ich, keinen Jogger. Der Himmel hängt mir am Kopf. Ach, Regen ist so schön. Ich trotte irgendwie vorwärts. Es will wieder mal nicht enden. Inzwischen bin ich von oben bis unten nass. Regen ist so schön. Ein paar konzentrierte Schritte im meditativen Laufen, aber dann wieder ablenkende Gedanken. Es ist, als würden meine Gedanken über mir selbst hängen, nicht verbunden mit meinem Selbst. Regen, Regen, so wunderbar. Ich schlepp mich nach Hause. Waschen, Essen – noch mit Appetit, dann Kopfschmerzen. Hinliegen vor Müdigkeit. Draußen regnet es weiter. Und weiter Kopfschmerz. Mir ist auch schlecht. Ich liege nur noch flach. Regen ist so wunderbar.
Eine lange Nacht. Und dann ein Lauf heute – ohne Regen. Ich mache einen Lust-und-Laune-Lauf, ohne Ziel. Laufe eine Strecke gegen die übliche Richtung. Es geht fast 500 Meter hoch und lohnt sich: eine grandiose Aussicht, die Alpen von West bis Ost, fast kann man den See sehen, mit vielen weißen Wolken, die dem Bild Leben und Bewegung geben.

03.06.09

Mai

Im Mai bin ich 279 km gelaufen, 6375 Höhenmeter – weniger Kilometer wegen Wettbewerb, Tapering, Erholungsphase, über 4 Tage Bahnfahrt.
Ob ich mein nächstes Projekt, einen Extremberglauf, angehe, weiß ich noch nicht. Mein Körper will nicht so richtig und der Geist ist mit einem anderen Projekt beschäftigt.
Der
K78 wäre ein möglicher Kompromiss, schon wegen seiner guten logistischen Struktur, aber am 25.7. gibt es andere Termine, etwa ein Fest des Gartenvereins, bei dem ich Pflichtarbeitsstunden ableisten muss.