24.02.08

STRUNZ ULRICH

Gestern neugierig die Sendung mit dem Moderator angeschaut, der mir etwas zuwider ist. Aber Strunz war angesagt, jener Fitnesspapst, der schon Hawaii gemacht hat und vor zwei Jahren mit dem Mountainbike 8 m tief gestürzt ist. –Auf den ersten Blick scheint er Fortschritte gemacht zu haben. Er witzelt nicht mehr soviel wie früher, macht sich nicht mehr zum Clown, wirkt ernster. Etwas Schluss mit lustig. Fliegen hätte er wohl wollen, witzelt er. Man assoziiert den Flugwunsch mit Überheblichkeit, Arroganz, Realitätsverleugnung, ein Antidepressivum gegen das abgrundtiefe Gefühl von Traurigkeit und Verlassenheit. Er ist wohl damit konfrontiert worden und wirkt nun authentischer und weniger lächerlich als früher. Aber dann kann er das Predigen doch nicht lassen und gibt wieder ekstatische Sprüche von sich. Diesmal ist es eine neue Diät. Statt einer ehrlichen Auseinandersetzung mit seinem Sturz eine neue Übertreibung. Wieder Witzeln; seine Frau hätte ihn nicht sterben lassen - mit dem kleinen Unterton, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre.
Jetzt ist – Lähmungen in der rechten Gesichtshälfte, die am Bein durfte man nicht sehen – mehr Härte in seinem Ausdruck, Haare mit Kriegsscheitel, Ordnung und Disziplin anzeigend. Wenn er seine neue Diät predigt, wünscht man ihm aber doch, dass er noch einmal stürzt - nur einen kleinen Meter - für einen kleinen Schock, ohne Verletzungen, nur dass er endlich traurig wird, das Predigen aufhört und bescheiden wird.
Den Ironman will er noch einmal machen, das Gefühl von Flow erleben, es (?) noch einmal beweisen.

23.02.08

FLUCHTLAUFEN

Manchmal verändert sich Laufen von der reinen Vorwärtsbewegung und wird zum Sich Lösen von einem bestimmten Standpunkt, auf den einen die Schwerkraft festnagelt. Man fühlt sich befreit, will sich befreien, etwas hinter sich lassen, will weg zu etwas Anderem. Dann könnte man immer unterwegs sein. Ewig laufen. Nicht stehen bleiben. In Bewegung bleiben. Bewegt sein und sich in Bewegung ausdrücken.
Leben ist Bewegung, ist kein fester identifizierbarer Standpunkt, ist eine Bewegung zwischen zwei Punkten. Ist eine ständige Art, von etwas weg und zu etwas Neuem hingehen.

„Verweile doch, Du bist so schön.“ Sagt zwar Goethe über das Glücksmoment. Aber das Leben geht weiter. Nichts bleibt, was es ist. Alles ist im ständigen Fluss.

Könnte man dies nicht auch mit „Flow“ umschreiben? Mit Rhythmus, mit Meditation oder rhythmischer Meditation („repetitives Meditieren“)? Ich will darauf zurückkommen.

Flucht und Freiheit war schon früher ein Motiv in meinem Leben. Flucht aus engem und unfriedlichen Zuhause, aus reglementierten Verhältnissen. Als ich in Italien um den Monte Rosa gewandert bin, musste ich immer an die britischen Kriegsgefangenen denken, die aus ihrer Gefangenschaft in der Poebene ausgebrochen und zu Fuß über die Viertausender in die Schweiz geflüchtet sind.

21.02.08

WINTER, ADE

Gestern ein Urlaubstag. Da Föhn und Regen vorhergesagt war, eine 20 km-Runde über die Seenplatte gedreht, ging heftig rauf und runter, 350m. Oben noch vereiste Seen. Vögel in Gruppen, mal Eichelhäher, mal Bussarde. Die Buchfinken haben auch schon mit Schmettern angefangen und das ausgerechnet an der Autobahn.
Nachher habe ich die Steigungen in den Adduktoren gespürt, Muskeln, die ich früher gar nicht gekannt habe. Beschäftigt mit Reparaturarbeiten mittels Massage, Stretching, Rückwärtssteigen, bei Nacht dann eine ASS.
Und heute hat es erwartungsgemäß geregnet. Grauer Tag.

17.02.08

KAMPFLAUFEN

Wenn ich laufe, sehe ich meistens vier verschiedene Typen: Hundebesitzer, Walker mit Stöcken, Walker in Gruppen. Was auffällt, ist dass sie sich recht bewaffnet geben. Die einen mit Stöcken, die anderen mit Hunden, die anderen treten in kompakten Gruppen auf. Einzelne Wanderer sind selten, bestenfalls in Paaren. [Ich rede jetzt nicht von denen, die sich mit Stoßstangen bewegen.] Aber auch die Jogger geben sich nicht harmlos; sie zeigen, dass sie flink sind, nicht so leicht anzugreifen, nicht ganz berechenbar, etwas zwischen Jäger und Gejagten.
Sich draußen aufzuhalten ist vielleicht eine nicht ganz ungefährliche Sache. Da zeigt man vielleicht besser seine Stärken. Ist man von Feinden umgeben? Und rüstet deswegen auf?
Nicht dass ich meine, dass es ein krankhaftes Verhalten von Einzelnen wäre. Aber es sagt etwas über unsere Beziehungen aus. Der öffentliche Raum ist potentiell gefährlich. Man kann angegriffen und kritisiert werden. (Aber auch auffallen und gefallen). Auch ein Raum von Konkurrenz, in dem man sich miteinander misst und vergleicht, sich unter- und überlegen fühlen kann.
Wenn man sich draußen bewegt, macht man sich angreifbar. Je angreifbarer wir uns fühlen, desto mehr rüsten wir auf: mit Stoßstangen, Stöcken, Hunden, Geschwindigkeit. Es bildet sich eine Hierarchie. Unten sind die einsamen Spaziergänger, die verträumt oder depressiv umhergehen. Bei alten Leuten akzeptiert man es, bei jungen stellt man Fragen.

Ich weiß nicht, wodurch es soweit gekommen ist. Ich vergleiche die Kindheit früher und heute. Früher konnten sich Kinder frei bewegen, von Schule nach Hause, in der Nachbarschaft. Zumindest ich kenne das so. (Meine Mutter musste mich immer wieder suchen). Heute sind die Wege der Kinder streng reglementiert. Besuche nur nach Einladung und Voranmeldung. – In manchen Ländern können sich Kinder fast gar nicht mehr frei außer Haus bewegen. Die Eltern haben Angst. Sie fantasieren eine Welt von Kindesentführern, Exhibitionisten, Vergewaltigern und Räubern.
Ursache? Verstädterung, Verkehr, wachsende Ungleichheit unter den Menschen?

Hier gab es einen kleinen Park mit Bänken, Büschen, Ecken, wo man sich verstecken konnte. Jetzt wurde er umgebaut. Jede Stelle ist von allen Seiten einsehbar, die Bänke – aus Maschendraht - haben keine Lehnen mehr, es gibt ein Cafe (für die Eltern, das Wachpersonal, das elterliche Wachpersonal?) Die Schmutzecken aus Wasser und Sand sind verschwunden.
Auch auf den Bahnhöfen kann man sehen, wie der Aufenthalt möglichst unbequem gemacht werden soll.

Ein Paradies gibt es nicht, gab es vielleicht auch nie. Aber vielleicht sollte man sich bewusst sein, was verloren geht, in welchem sozialen Fluidum, welchem Gefühl man sich bewegt. – Und das man erzeugt durch die Art, wie man sich bewegt.

13.02.08

PIROL?

Ein bunter Frühling kommt.
Beim Laufen einen gelben Vogel gesehen, groß wie eine Amsel. (Das Foto gibt leider nicht viel her). Ich kann ihn nicht genau zuordnen. Pirol wäre passend, aber um die Zeit dürften sie noch nicht hier sein, erst Ende März. Aber die Rückkehr der Zugvögel erfolgt immer früher. Gestern Abend um 10 flog laut schreiend ein Wildgänseschwarm über das Haus, vielleicht auf dem Rückweg ins Sommerquartier. Viele Zugvögel ziehen auch schon gar nicht mehr weg und wenn dann nur noch weniger weit in den Süden.
Grünlinge, Grünfinken sind kleiner, Grünspecht wäre größer.
Vor kurzem ein seltsamer Vogel: schwarz aber weißer Kopf, sicher keine Schwalbe, auch kein Amselalbino. Vielleicht auch auf dem Durchzug, da hier nicht üblich.
Letzte Woche zum ersten Male seit längerem über 60 km (mit freundlicher Unterstützung durch meine Frau).

08.02.08

DIE HOLZPREISE

sind seit einiger Zeit hoch, man sieht es. An dem Wald, an dem ich regelmäßig vorbeilaufe, sind immer wieder Stämme aufgestapelt, die Wege von großen Maschinen zerfahren. Neue Waldbewirtschaftungsmethoden führen zu mehr Ertrag. Nicht mehr 4 m³ je Hektar Ertrag wie früher aus den dunklen Bauernwälder, sondern 8 m³ aus den lichteren Wäldern.
Ich frage bei Verwandtschaft nach dem Wald meiner Großmutter. Ja die Holzpreise sind hoch. Der Erbe hat keine Zeit und lässt ihn bewirtschaften. Auch wenn ich manchmal etwas neidisch auf die Erben war, bin ich doch froh, dass meine Eltern leer ausgegangen sind. Zwar mussten sie sich dann unter einfachen Verhältnissen durchschlagen, aber hätte ich als Waldbesitzer den Wald schätzen gelernt? Ich würde bestenfalls Geschäfte damit machen: 1 m³ soundsoviel Euro und die Motorsäge aufheulen lassen.
Eine Kusine hat von ihrem Vater eine Streuobstwiese bekommen und - sie verkauft. Jetzt ist es ein Parkplatz. – Shame on her.

05.02.08

LAUFEN MIT MUSIK

Dank Hal Faber gerate ich bei Youtube auf Stücke des Saxophonisten Jan Garbarek. Ich mixe mir eine Mp3Datei mit „Molde Canticle“, Ragas und Sagas“, „Winterfinale“, „Conversation“ „Silence“.
Ich wähle mir eine steile Strecke mit Aussichten über 80 km weit ins Gebirge. Jan Garbarek bläst das Sax mal lyrisch schwebend, mal abstürzend und aufsteigend aggressiv. Ein Rotmilan schwebt, lässt sich fallen, steigt wieder hoch. Ich bewege mich beim Laufen in der Musik, fühle mich ebenso leicht und schwerelos so wie die Läufe aus dem Saxophon herauswehen. Meine Füße klopfen auf die Erde mit und gegen den Rhythmus der Bassdrum. Oben liegt die ganze weite Bergwelt vor mir, dazu „Molde Canticle“. So schön es ist, so überwältigend traurig ist es.

04.02.08

LAUF IN DEN FRÜHLING?

Am Sonntag in der Nacht -7°. Dann sind wir bei -4° losgelaufen. Überall gefrorene Pfützen, der Schatten der Bäume noch weiß vom Reif. Fernblick, vom See steigt Nebel hoch. Man hört einen Grünspecht kichern. Ein Buntspecht versteckt sich hinter einem Baum. Auf der Höhe gibt es noch etwas Schnee. Die Weiden treiben ihre silbernen Palmkätzchen aus, die Haselnüsse schon länger ihre. Alles zu früh. - Auch der Reiher ist da und wartet auf seine Mäuse. (…)
Am Ende der 20 km noch in den Garten und Grünkohl geholt für den Eintopf.

02.02.08

DER MARATHONMÖNCH VON KYOTO II


Vor einiger Zeit habe ich den Film gesehen und war weniger begeistert über diesen Zenmönch, wie ich das in dem betreffenden Blogeintrag war. Bei allem Respekt vor seiner körperlichen Leistung konnte ich doch nicht erkennen, worin der spirituelle Sinn seiner Bemühungen lag. Es ist doch äußerst gewaltsam, wenn ich eine Sache dadurch bedeutsam mache, dass ich auf ein eventuelles Scheitern mit Selbstmord reagiere.
Auch sonst schien mir der Mönch recht eitel. Da finde ich dieses modische Lächeln, wie man es heute bei einigen Leuten beobachten kann. Sie erzählen etwas und dabei lächeln sie nickend, so als hätte man ihnen zugestimmt. Man kommt sich dabei recht überflüssig vor und widersprechen mag man ihnen auch nicht mehr.
Darin wie sich die Mehrheit der Japaner verhält, nämlich lärmend, konsumierend, gedankenlos, egoistisch,
gewaltförmig, scheint mir eine gehörige Portion Kritik an der Zenkultur der Stille, Weltverachtung und Kultur eines „anderen Bewusstseins“ zu liegen.
Weil Zen, bedingt durch eine dogmatische und autoritäre Kultur, zu einem Ritual erstarrt ist, zur sinnlosen Anforderung, hat es die Kraft der Vermittlung zum realen Leben verloren. Es ist keine Selbstbesinnung mehr.
In Europa gibt es zwar religiöse Ideen vom „Ganz Anderen“ und „Transzendenten“, aber in der Regel ist unsere Idee, dass sich die Wahrheit aus einem Diskurs, aus dem Denken ergibt. Also ständiger Dialog oder Streit um das rechte Handeln, Moral, das gute und richtige Leben. Der Einzelne in seiner Andersartigkeit versucht ein besonderer Teil der Allgemeinheit zu werden, ohne dass er sich aufgeben oder verleugnen muss. Eine solche Selbstverleugnung, wie sie in asiatischen Ländern manchmal zum Prinzip erhoben wird, wird bei uns wohl zu Recht als repressiv, unterdrückerisch, sadomasochistisch angesehen.
Wie steht es aber mit der Erfahrung dieses „Anderen“ gegenüber dem bloß Momentanen?
Ich denke, man sollte offen sein, Fragen zulassen und auch die Erfahrung durch die asiatischen Techniken ausprobieren.
Wenn ich etwa sitze und mich atmen lasse, dann kann ich etwas vom Rhythmus des Lebens erfahren, des Lebens, das Teil eines sich bewegenden Universums ist.
Vielleicht ist das auch beim Laufen möglich.