19.08.07

DER MARATHONMÖNCH VON KYOTO


Ich hab erfahren, dass in NDR, SWR und Phönix ein Film von I. Bauer über einen Marathonmönch vom Zen-Kloster Mount Hiei bei Kyoto gelaufen ist.
In einem Artikel des
Guardian vom 22.01.01, der sich auf Holly A. Schmid 1996 oder Dave Ganci zu stützen scheint, wird diese „Übung“ genauer beschrieben:
Der Mönch unterzieht sich einem 7-jährigen Ritual:
- in den ersten 300 läuft er an 100 folgenden Tagen 40 km
- im 4. und 5. Jahr läuft er 200 folgenden Tagen 40 km
- im 6. Jahr an 100 Tagen 60 km
- im 7. Jahr an 100 Tagen 84 km
Nachts vor zwei geht es los in weißem Gewand, Strohsandalen und „Helm“, beladen mit Kerzen, kleinen Opfergaben, Mantras und heiligen Schriften. Der Mönch eilt aber mehr als er läuft. Er hat bis zu 255 verschiedene Gebets- und Opferstationen zu absolvieren. Die Ernährung besteht aus: Gemüse, Tofu und Misosuppe.
Der Mönch trägt ein Messer und Seil mit sich für einen Selbstmord für den Fall, dass er den Anforderungen nicht mehr nachkommen kann. Der Weg ist gesäumt von Gräbern von Mönchen, die (seit 1787 bis ins 19. Jahrhundert) Selbstmord begangen haben. Seine Kleidung ist weiß - die Farbe des Todes.
Der traditionelle Weg führt heute durch ein Naturschutzgebiet voll mit exotischen Tieren, aber auch durch Einkaufsstraßen von Kyoto, genauso wie durchs Rotlichtviertel.
Dazu kommen noch mehrere Fastenwochen ohne Essen und Trinken, das „doiri“. Das Ziel ist die “Erfahrung eines Gefühls von Transparenz, wo alles - Gut, Böse oder Neutrales - den Körper verlässt und die Existenz sich in kristallener Klarheit selbst offenbart.”

Als anderes Ziel wird von dem
Filmer genannt: „Suche nach Erleuchtung. Über sich hinauszuwachsen, seine eigenen Begierden abzulegen, und irgendwann ganz für andere da sein zu können, das ist das Ziel seiner Strapaze.“


Für uns Westler dürften solche Praktiken unverständlich sein. Ziel der östlichen Meditation ist die Auslöschung des „Ichs“. Dieses „Ich“ ist für die religiöse Tradition des Ostens eine falsche Vorstellung, die man zu überwinden hat. Die alte japanische Kultur ist eine feudale, auf den Kaiser als Gott bezogene. Sie steht in diametralem Gegensatz zum selbständigen Individuum als höchsten Wert in unserer Kultur. Dieses Individuum bei uns orientiert sich an seinen Gefühlen und Bedürfnissen, an Lust und Unlust und vielleicht zwischendurch auch an Vernunft und Moral. Eben gerade so, wie es ihm passt.
Die „Erleuchtung“ selber ist aber wieder eine physische Erfahrung, bei der alles eine Einheit bildet: Ich und Umwelt. Es ist mehr als ein „Runner´s High“; Verschmelzung von Außen und Innen, ein wunderbares Gefühl von Einheit.
Die alten Griechen haben unsere Denk- und Gefühlsgrundlagen formuliert. Danach haben wir Bewusstsein, Geist in uns – er repräsentiert die vernünftige Welt. Unsere Gefühle spiegeln unsere körperlichen Erlebnisse und Bedürfnisse. Wir können nur dann Erleuchtung erfahren, wenn wir ein subjektives Bewusstsein haben.
Der Osten legt den Wert auf richtiges Handeln: Sitzen, Laufen, bis zu
Aikido. Daraus folgt das richtige Bewusstsein. Das ist die Erfahrung von der Vorgängigkeit des Körpers gegenüber dem Geist.

So wird man das weiter hin und her diskutieren können. Vielleicht ist das "Entweder – Oder" falsch.

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