Nun leben wir aber ein einer scheinbaren Welt der individuellen Verantwortlichkeiten. Der Einzelne glaubt, der Schöpfer seiner Selbst, seine eigene Erfindung zu sein – oder sein zu sollen. Und zu dieser einsamen Welt der scheinbaren Robinsons gehört auch der Läufer. Nicht nur, dass er ständig mit sich selbst beschäftigt ist – das lässt sich ja an meinem Blog hier beobachten -, die Pflege der Fitness in diesem Survivalkampf gegen das Absterben und Überflüssigsein gehört zu seinem zentralen Anliegen. Zwar sind seine Erfolge, Triumphe und Siege für die anderen nicht unbedingt tödlich, aber der Läuferstolz zeigt spätestens dann seine aggressive Seite, wenn er mal gekränkt wird, sei es durch Niederlagen, Stürze, Krankheiten. Und sei es nur in der milden Form der Depression oder Selbstquälerei.
Wir sind uns wohl alle ein wenig feind. Kaum zu glauben, dass daraus ein neuer Mensch, eine neue höhere oder komplexere Art entsteht. Im Gegenteil, der Rekurs auf primitivere Formen des Lebens: der solitäre Läufer mit komplexitätsreduziertem Bewegungsmustern – wenn auch immer noch komplexer als die sitzende Bewegungsform – bewegt sich in einer Fantasie von Natur. Insofern kreativ und geistig auch lebendig. Aber er läuft außer der realen gesellschaftlichen Konkurrenz und Realität. In einer Blase sozusagen, sei es der Traum von „Survival of the fittest“ oder in einem spirituellen Gefühl, dem ich derzeit nachforsche.
Ist der Läufer in seinem Rekurs auf Jagd und steinzeitliches Kriegerdasein, körperliche Ertüchtigung im verkopften Zeitalter also ein Modell für die Zukunft, eine evolutive Regeneration oder eher Zeichen von sozialer Degeneration?
Sollte man sich das nicht überlegen?
Ich versuch mich dagegen mit der Einübung von Gedankenlosigkeit trainingsmäßig hochzupushen. Zum Beispiel am Mittwoch 17 km mit ca. 500 Höhenmeter – 9-mal im Schnee den gleichen Berg rauf und runter. Ein Auto versuchte mich zu überholen, blieb am Berg hängen und musste zu meiner Freude – „Läufers Freud“ – wieder rückwärts zurück. Aber ob der Lauf wirklich was gebracht hat, weiß ich nicht. Nichts vom meditativen Laufen, keine Konzentration auf das Hara.
Heute 28 km teilweise im Schnee. Zwar konnte ich mich mehr konzentrieren, aber die beiden letzten Anstiege haben mich schier umgeschmissen. Mit blauen Lippen kam ich nach Hause. Den Lauf durchgestanden habe ich mit Konzentration auf die Bewegung durch das Ausatmen und der gleichzeitigen Lockerung der übrigen Körperteile.
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