20.04.08

UNGESUNDER GEIST

Im SWR2 Literatur höre ich in einem Podcast eine Besprechung von Murakami Haruki´s Buch „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“. Vielleicht lese ich es. Es soll keine Mystik des Laufens beschreiben, auch nicht den Zustand „der Leere, in dem ihm endlich einmal so gut wie nichts durch den Kopf geht“, eher Konkretes vom Autor, der selber regelmäßig läuft. Murakami Haruki: „Wenn ich laufe, laufe ich einfach. Normalerweise in einer Leere. Oder vielleicht sollte ich es umgekehrt ausdrücken: Ich laufe, um Leere zu erlangen. Die Gedanken, die mir beim Laufen durch den Kopf gehen, sind wie Wolken am Himmel. Sie kommen und ziehen vorüber.“
Die Leere. Ich kenne sie nicht, kann also nur die Skepsis des Unerfahrenen ausdrücken. Irgendwas ist immer in meinem Kopf, in meinen Augen und anderen Sinnen. Abschalten? Geht das?
Murakami Haruki schreibt. Dabei steige ihm eine Art von Gift hoch, das er mit der durch das Laufen erlangte körperliche Stärke wieder beherrschen könne. Das läuft wohl über die „Leere“ des Kopfes. Mit mechanisch 6-mal in der Woche 10 Kilometer Laufen erzeugt er diese Leere. Aber es sieht wohl eher so aus, dass der Kopf - unterbeschäftigt mit körperlicher Routine – wieder Platz hat für andere als Schreibergedanken. Also wieder zur Realität zurückführt.
Von daher vielleicht sein Spruch: „Mens insana in corpore sano: Ein ungesunder Geist braucht einen gesunden Körper.“

Interessant sein Erlebnis bei einem 100 km-Lauf, wie es
A. Rühle beschreibt: „Bei seinem ersten und einzigen Ultramarathon erlebte Murakami nach Stunden totaler Erschöpfung irgendwann einen jähen „Durchbruch, als wäre ich durch eine Mauer gegangen. Plötzlich merkte ich, dass ich auf der anderen Seite war.” Nicht dass die Erschöpfung oder der Schmerz danach nachließen, dennoch konnte er die letzten 25 Kilometer fast mühelos laufen. Dieses epiphanische Erlebnis wird knapp erzählt – und führt danach überraschenderweise zu einer fundamentalen Laufkrise, ja zu einem lebensumgreifenden Resignationsgefühl.“
Meine Interpretation: das „Durchbrucherlebnis“ zeigt wie Körpergefühl und Ichbewusstsein auseinanderbricht. Der müde Körper will aufhören, der Geist befiehlt das Weiterlaufen. Der Geist siegt und die Verbindung zwischen Körper und Geist zerbricht. Zwar trägt der Körper noch und der Mensch ist in ihm, aber der Körper ist nun nur noch seelenlose Maschine, Sklave ohne eigenes Leben. Er ist vom Partner zum degradierten Opfer geworden. Das Resultat ist ein „lebensumgreifendes Resignationsgefühl“. Ein Beziehungsverlust. Vielleicht auch eine Art von Erfahrung des eigenen Todes.
Statt seinen Körper zu quälen, wäre es wohl besser, freundlich zu ihm zu sein.
Das Foto von der Kirschblüte.

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