03.03.08

SELBSTERFAHRUNG - Noch einmal Strunz

Inzwischen gibt es noch ein Interview mit Strunz (26 Min), in dem er um Einiges deutlicher wird. Noch versponnener und verrückter. Warum will er nicht vom Ironman ablassen? Da ist das Flow-Erlebnis, nach dem er süchtig ist. Wenn man das Bewusstsein für Zeit und sich selber vergisst, wenn man vollkommen aufgeht in der Tätigkeit und sich in Übereinstimmung mit sich selber fühlt. (Früher hieß es das Runners High, inzwischen nicht nachgewiesen). Als Voraussetzung für diesen Glückszustand sieht Strunz das Einstellen des inneren Dialogs, des inneren „Gequirles“, des „Affengeschnatters“, wie er mit den Indern sagt. Dann fängt das In Sich Selbst Denken an, in sich mit sich selbst über das eigene Leben nachdenken.
Dieses Beenden des inneren Monologs ist auch das Ziel der Zen-Meditation. Erst wenn das Innere leer ist, schweigt, erst dann ist der Mensch offen für das Erlebnis des Wesentlichen, des Satori, der Erleuchtung. Das was die Mystiker anstreben.
Strunz erzählt von außerkörperlichen Erfahrungen beim Ironman, als er seine Person außerhalb des sich abmühenden Körpers erlebte. Man hört von solchen Erfahrungen bei Menschen, die gefoltert werden, aber auch in großen Glückserlebnissen und Nahtoderfahrungen.

Was ist an solchen Erfahrungen interessant? Was fasziniert daran? Vielleicht lebt man normalerweise in einem Zustand der Selbstentfremdung, fühlt das und hat deswegen das Verlangen nach einer solchen „Selbst“-Erfahrung. „Selbst“, der Zustand, bei dem man sich mit sich selbst identisch fühlt.
Ich verwende hier eine merkwürdige und widersprüchliche Sprache. Aber es gibt Momente, wo man sagen kann: „Ja, das bin ich. Niemand sonst hat dieses Leben oder Schicksal. Es ist mein Leben.“ Ob es nun ein gutes, schweres oder leichtes Los bedeutet. Es ist ein vielleicht seltenes Gefühl von Freiheit, sein Leben als sehr persönliches Geschenk – von wem auch immer - begreifen zu können, und man die Freiheit hat, darüber verfügen und es gestalten zu können. Und man nicht gezwungen ist, die Erwartungen anderer Menschen an dieses Leben erfüllen zu müssen.

Ein Läufer läuft in der Regel allein. Er bewegt sich weg von anderen, obwohl er sich in einem öffentlichen Raum bewegt. Er nimmt Abstand, geht in die nichtmenschliche Welt der Natur von Tieren und Pflanzen, macht sich frei von gesellschaftlichen Erwartungen. Es mag sein, dass er sich sogar isoliert, indem er die Nähe zur Natur sucht. Schließlich handelt er autonom, lernt sein Leistungsvermögen kennen, setzt sich selber Ziele, ist auf eigenen Beinen unterwegs. Mehr als Selbständig ist er sich selbst bewegend, sein eigenes Automobil.

Aber ist das ein gutes Ideal? Wäre es nicht besser, statt immer nur auf der Suche nach dem eigenen Glück, des eigenen Wohls, des eigenen Selbst zu sein, mit anderen zu fühlen und zusammenzuleben, ein gemeinsames Leben zu teilen, die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen und sich um ihre Zuwendung zu bemühen? Liegt das Glück nicht in einem guten Zusammenleben? Mit allen Gefühlen von Freude, Hoffnung bis Enttäuschung und Trauer.
Vielleicht. Vielleicht macht der Läufer den Versuch, aus einem beschädigten Leben das Beste zu machen. Oder das Glück hat verschiedene Seiten.

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